Diesen Artikel hat unser Gastautor Wolfgang Palme für uns verfasst. Wolfgang Palme ist Forscher und Vortragender an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn und betreut mitten in Wien die City Farm Augarten. Palme ist ein innovativer und begeisterter Gärtner und erforscht schon seit langem Gemüsebau im Winter.
Es ist eigentlich ebenso naheliegend wie faszinierend: Viele unserer Gemüsearten sind wesentlich frostfester, als man das bisher angenommen hat. Deshalb lassen sie sich ohne Heizungsaufwand mit einfachen Mitteln im eigenen Garten oder auch auf Balkon und Terrasse so anbauen, dass sie während des ganzen Winters frisch geerntet werden können. Diese Art des Wintergärtnerns kennt man vielleicht gerade vom Vogerlsalat, funktioniert aber bei zahlreichen anderen Gemüsearten genauso gut.
Der Winter – das ist die verlorene Jahreszeit im eigenen Garten. Winterzeit ist verständlicherweise nicht Hauptwachstumszeit, aber sie ist Erntezeit. Und das scheinen wir vergessen zu haben. Damit wir Frischgemüse in der kalten Jahreszeit aus dem eigenen (Hoch-)Beet ernten können, gilt es, je nach Gemüseart die richtigen Zeitpunkte für Aussaat und Pflanzung zu wählen.
Vergessene Tradition
In 15 Jahren angewandter Forschungsarbeit an der HBLFA Schönbrunn konnte ein Winterfrischernte-Fahrplan entwickelt werden, der sich sowohl im professionellen Erwerbsgemüsebau, als auch im Hausgarten umsetzen lässt.
Dabei hat alles mit einer Panne begonnen: Als bei einer Spezialsalat-Sortensichtung im Jahr 2007 an der Versuchsaußenstelle Zinsenhof ein letzter Freilandsatz irrtümlich im Winter draußen blieb, weil er nicht mehr rechtzeitig geerntet werden konnte, ahnten wir an der HBLFA Schönbrunn noch nicht, dass daraus eine eigene Bewegung werden sollte. Die Salate starben nämlich nicht ab, sondern blieben während des ganzen Winters frisch und grün – auch bei Temperaturen unter -15°C. Laut Lehrbuchwissen war das nicht vorgesehen, da hätten sie nämlich bereits bei -3°C bis -5°C erfrieren müssen.
Viele Anbautraditionen aus vergangenen Zeiten und das Wissen um die Frostfestigkeit unserer Gemüsearten haben wir heute leider vergessen. Dabei verwundert es schon, dass kaum gezielte Forschungsarbeiten zu diesem Thema gemacht wurden.
Anscheinend machen wir uns im konventionellen Lebensmittelhandel lieber von Importen oder von energieintensiv produzierter Glashausware abhängig, als das biologische Potenzial unserer Kulturpflanzen gezielt zu nutzen.
Saisonalität
Der heutige konventionelle Lebensmittelhandel scheint tatsächlich vom Wechsel der Jahreszeiten völlig unbeeindruckt zu sein.
Sommers wie winters finden wir im Supermarkt das volle Gemüsesortiment an Salaten, Gurken, Tomaten und Paprika. Der Winter ist im Handel die Jahreszeit der Gemüseimporte aus südlichen Ländern oder der heimischen Ware aus geheizten, oftmals auch belichteten Gewächshäusern. Beides ist eine energieintensive Angelegenheit mit allen ökologischen Auswirkungen, die uns die Freude an den gut bestückten Regalen verderben können. So zahlen wir mit aufwändiger Technik und ressourcenfressender Logistik auch ökonomisch einen hohen Preis für Frischprodukte, die wir mit wesentlich einfacheren Mitteln erzeugen könnten.
„Der Herbst ist der Frühling des Winters“
Dieser Ausspruch eines französischen Künstlers dient als Leitlinie zur Bepflanzung der Winterbeete. Im Herbst ist Pflanzzeit. Jetzt geht es mit den richtigen Salaten und Kräutern hinaus aufs Beet. Die Frühlingsgefühle kommen dann beim Neubestellen der herbstlichen Beete ganz von allein!
PS: Hier erfahrt ihr mehr über die saisonalen Produkte, die ihr auf markta.at finden könnt! Nicht nur Wintergemüse, sondern auch allerlei eingelegte Köstlichkeiten schaffen kulinarische Vielfalt in der kalten Jahreszeit.